Der Konjunktiv als zäher Schleim

von Simone Kaempf

Heidelberg, 30. April 2013. Ein gestreckter Ballettfuß hier, eine graziler Arm da, Liegestütz im wippenden Tütü, tänzeln, posieren, springen – und fertig ist das Bild einer leistungs- und aufopferungsbereiten Konkurrenzgesellschaft? In diese Stilisierung wagt sich Regisseur Johannes Schmit mit seinem komplett körpersprachlich gedachten Zugriff auf Kathrin Rögglas Textwerk "Machthaber". Vier Schauspieler üben den Abend lang Ballettposen, beugen ihre Beine ins Plié, bis der Schweiß läuft.

machthaber2 250 bettina MllerMacht und Ballettposen © Bettina MüllerDie Bühne: ein stylisher Catwalk, Trainingsplatz körperlicher Ertüchtigung, auf dem sich die Schauspieler optisch als Zwitterwesen präsentieren. Untenrum in Strumpfhose und Ballettrock, oben im cremefarbenen Jackett und Krawatte. Körperlich sind sie auf Ausdauer getrimmt, lebensperspektivisch haben sie vor allem ihr Versagen im Visier, um das sich Rögglas dialogische Versatzstücke drehen.

Gruppenbild mit Brecht und Eisler

Die Schauspieler halten das super durch. Der inszenatorischen Idee geht schneller die Puste aus. Nach dem ersten Aha-Effekt über diesen Gegenraum, mit dem Schmits Regie die konjunktivisch kreisende Sprache konfrontiert, entwickelt sich nur noch wenig. Die Metapher der seriellen Ballettposen als Rituale der Machtetagen ist bald auserzählt. Plakativster Einfall ist zäher Schleim, der aus einem Eimer auf die Bühne kleckert und den Laufsteg wohlfeil rutschig macht. Zugegebenermaßen ist es auch nicht das beste Stück von Kathrin Röggla. Ihre Fähigkeit, Jargons zu verdichten und deren Einfluss auf veränderte Weltwahrnehmung zu zeigen, hinkt in "Machthaber" hinterher, aber sei's drum.

Schmit schenkt zumindest den Schauspielern am Ende noch ein schönes Gruppenbild. Nestwarm schmiegen sie sich aneinander, gefilmt im Blaugrau einer Webcam, und stimmen die Melodie eines Brecht-Eisler-Revolutionsliedes an, als könnte aus ihnen doch noch ein widerständiger Kollektivkörper wachsen. Allerdings zusätzlich untermalt von "Stille Nacht"-Frontgesang aus dem Zweiten Weltkrieg, mit dem der Abend als letzte akustische Geste eingetütet wird. Zum Ballettposing passt das nicht, und mehr als Harmlosigkeit mag am Ende nicht aufkommen.

 

Machthaber
von Kathrin Röggla
Gastspiel Staatstheater Mainz
Regie: Johannes Schmit, Choreografie, Co-Regie: Miriam Horwitz, Bühne und Kostüme, Co-Regie: Markus Wagner, Dramaturgie: Katharina Gerschler.
Mit: Ulrike Beerbaum, Zlatko Maltar, Karoline Reinke, Aram Tafreshian.
Dauer: 1 Stunde 20 Minuten, keine Pause

www.staatstheater-mainz.de

 

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