Suche nach moralischen Standards

von Georg Kasch

Heidelberg, 5. Mai 2013. Es gibt Jurys, die sind nicht zu beneiden. Denn die beste Inszenierung, die um den JugendStückePreis 2013 rang, war zweifelsohne Weiße Magie von Gintersdorfer/Klaßen aus Bremen: starkes Konzept, überraschende Wendungen, fesselnde Umsetzung. Ein Abend, der einem unter die Haut kriecht und dort noch lange pulsiert. Aber kann man eine Performance, die sich – trotz fixierten Texts – kaum zu einer Nachinszenierung anbietet, guten Gewissens als bestes Jugendstück prämieren?

Insofern geht der mit 6.000 Euro dotierte Preis, den die Hauptjury zusammen mit der Jugendjury aus jungen Heidelberger Theaterbegeisterten an David Gieselmanns Über Jungs verliehen, schon in Ordnung, zumal der Autor sich umgehend bei den Grips-Schauspielern bedankte, von denen etliche der Sätze im Stück stammen. Wesentlich einfacher war die Sache schon beim Internationalen Autorenpreis: Lena Kitsopoulous Athanasios Diakos – Die Rückkehr wirkte bei der Lesung in seiner Mischung aus grimmigem Witz und antikem Versmaß, Gegenwartsspiegel und Mythosdekonstruktion am stärksten – das Stück kann man sich tatsächlich auf deutschen Bühnen vorstellen.

Happy End für eine Generation

Dass der durchgehend anwesende griechische Autor Vangelis Hadjiyannidis den mit immerhin 2500 Euro dotierten Publikumspreis erhielt, war dann eine nicht planbare, aber dennoch schöne Geste. Sein Jugendstück Am Bildschirm Licht erzählt zielgruppennah und mit Happy End von den Wirren einer Generation, der die moralischen Standards abhanden zu kommen drohen. Beide Autoren wissen wahrscheinlich, wie viel dieser Ehrungen sie ihren Übersetzern verdanken: Die brachten die griechischen Werke nicht nur in eine sowohl verständliche als auch literarisch schwingende Sprache, sondern setzten sich in den Publikumsgesprächen auch vehement für ihre Künstler ein.

Wenig überraschend der einzige undotierte, nämlich der NachSpielPreis. Zwar lobte der ehrenamtliche Juror Jürgen Berger Wojtek Klemms einfühlsame Inszenierung von Dea Lohers Am Schwarzen See mit seiner beeindruckenden Rhythmik, entschied sich dann aber doch für Jan-Christoph Gockels Inszenierung der Trilogie der Träumer von Philipp Löhle. Zwar haben weder Autor noch Regisseur Rückenwind nötig. Aber obwohl auch Marc Wortels Marburger Inszenierung von Marc Beckers Aus der Mitte der Gesellschaft schillernde Momente besaß, geht Gockels die drei Löhle-Texte ordentlich umkrempelnder (und dabei ihren Kern erhaltender) Abend am Überzeugendsten auf und darf sich im nächsten Jahr im Rahmenprogramm der Mülheimer Theatertage zeigen.

 

Mehr über den Autorenpreis, den Henriette Dushe erhielt, in einem Resümee von Wolfgang Behrens.
 

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