Unter der Dunstabzugshaube
von Georg Kasch
Heidelberg, 3. Mai 2013. In Speyer, unweit von Heidelberg, bietet ein Eisladen eine Sorte namens Obama an. Nun kann sich jeder denken, welche Geschmacksrichtung, also welche Farbe dahinter steckt. Ein Beispiel aus der Mitte der Gesellschaft, die man abends in Marc Beckers gleichnamigem Stück wiedertrifft: Dort quatscht sich jemand oder eine Gruppe durch zuweilen dadaistisch anmutende Sprachsalven, die sich zu Tiraden einer verunsicherten und zugleich alles ganz genau wissenden Schicht weiten.
Wie Elfriede Jelineks jüngere Bühnentexte bieten die knapp 100 Seiten einen großen Regie-Spielplatz. Marc Wortel stellt in seiner Marburger Zweit-Aufführung fünf Schauspieler in Weiß und Beige auf die fast leere Bühne, lässt sie revuehaft vor und mit dem Vorhang spielen und spitzt Beckers Suaden kabarettistisch zu: fiese Griechenland-Witze gehen in operettenseliges Geschunkel zu "Glücklich ist, wer vergisst, dass er unzufrieden ist" über, in einem Quiz müssen die beiden Frauen (für eine ist Wortel selbst kurzfristig eingesprungen) sich im Kampf um eine Perspektive gegenseitig darin übertrumpfen, Stammtischparolen zu ergänzen.
Lasst es qualmen
Der Höhepunkt: Johannes Huberts Parodie auf Heidi Klum, diese Mittelstandsversion einer Diktatorin. Dazu wird – als Bild für die geistige Vergiftung – unter einer edlen Dunstabzugshaube ordentlich gequalmt. Mit Franz Kafkas "Steuermann"-Erzählung zieht dann die Angst vor dem Verdrängtwerden, dem sozialen Abstieg düster in den Abend. Der ist über weite Strecken saukomisch. Indem Wortel Beckers Text in verdauliche Kabarett-Nummern auflöst, nimmt er ihm allerdings auch seine Sperrigkeit. Man lacht sich so durch. Ein bisschen mehr hätte es ruhig wehtun dürfen. Die Realität ist ohnehin bitterer als jede Satire.
Aus der Mitte der Gesellschaft
von Marc Becker
Regie: Marc Wortel, Bühne: Christian Werdin, Kostüme: Renske Kraakman, Dramaturgie: Annelie Mattheis.
Mit: Johannes Hubert, Marc Wortel, Victoria Schmidt, Daniel Sempf, Tobias M. Walter.
Dauer: 1 Stunde 15 Minuten, keine Pause.
www.theater-marburg.com